Mai 2014 - Besuch SH Dalai Lama in Europa

Es ist sehr schwer für jeden, wirklich zu begreifen, was die Natur dieses Problems ist, denn es ist in einer sinnvollen Art und Weise fast unaussprechlich. Dies ist so, weil es eine Mischung aus Religion, Politik, Aberglauben und privaten Angelegenheiten ist.

Hier nun lediglich ein Versuch, das Rätsel zu lösen:

Es ist ganz klar, dass dieses Problem wenig mit der eigentlichen Lehre des Buddha zu tun hat. Die Lehre des Buddha, wenn sie richtig gelehrt und verstanden wird, ist etwas, das alle Missverständnisse und Aberglauben vertreibt und hilft, alle Rätsel der Dinge zu lösen; und ist somit eine Lösung für alle unsere Probleme und Leiden. Es wäre nie Anlass zu weiteren Problemen.

Allerdings ist es auch eine Tatsache, dass es unter Tibetern eine Tendenz zu vielen abergläubischen Überzeugungen und Praktiken gibt, wie Glaube an wohlwollende und böse Geister. Der Umgang mit solchen Dingen, der mit Hoffnungen und Ängsten verbunden ist, gehört in der Regel zur Mentalität einfacher, ungebildeter Menschen.

Neben den vollständig erleuchteten Buddhas und Bodhisattvas und anderen im Buddhismus verehrten heiligen Wesen gibt es Hunderte von Gottheiten buddhistischen und nicht-buddhistischen Ursprungs, die im Volk bekannt sind und verehrt werden.

Doch in der Geschichte Tibets ist es noch nie vorgekommen, dass eine Gottheit zu einem Politikum einer solchen Größenordnung wurde. Natürlich wäre dies auch ganz unmöglich und eine äußerst lächerliche Sache, wenn so etwas von einem gewöhnlichen Tibeter angestrebt würde.

Dass dieses imaginäre Phantasie-Problem zu einem politischen Thema von höchster Bedeutung für die tibetische Verwaltung in Dharamsala wurde, liegt daran, dass S.H. der 14. Dalai Lama, die höchste religiöse und weltliche Autorität für die Tibeter, selbst dieses Problem ins Leben gerufen und die letzten 20 Jahren verfolgt hat.

Die große Frage ist, warum hat er das getan?

Seine Heiligkeit ist ein Lama von großem Wissen und großer Würde, der derzeit in der Welt als ein Verfechter des Friedens, der Toleranz und einem breitem ökumenischen Blick bekannt ist und universelles Mitgefühl und Verantwortung überall lehrt. Wie kann eine solche Person so intensive und penibel durchgeführte Diskriminierung gegenüber seinem eigenen Volk in Bezug auf deren religiöse Praxis zeigen?

Die verständlichste Antwort, die man versuchen könnte zu geben, wäre:
Es ist aufgrund der außergewöhnlichen Position, die dem Dalai Lama zugewiesen wurde.

Zunächst einmal hat er eine menschliche Form angenommen und wurde als 14. Dalai Lama anerkannt und im Alter von 13 als Souverän Tibets inthronisiert. So spielt er eine Doppelrolle als Leiter von Religion und Politik und ist abhängig von einem ganzen Team und Gefolge, das ihn in allen seinen Angelegenheiten unterstützt. Und wenn wir genau hinsehen, wird deutlich, dass es dramatische Veränderungen unter den Menschen seiner Umgebung gab.

In der Vergangenheit, auf spiritueller Seite, gab es seine beiden ehrwürdigen Lehrer, die lebendige Beispiele von Weisheit und buddhistischen Tugenden waren, ebenso auch seine philosophischen Assistenten und persönlichen Betreuer usw., mit denen er immer verbunden war. Deren Rat und Einfluss und deren Dienste waren immer ein fester Boden, der ihn unterstützt und hochgehalten hat.

Ebenso gab es kluge Minister und andere Persönlichkeiten auf der politischen Seite, wie der Anführer der Khampa-Widerstandskraft usw., die voll engagierte Menschen waren und ihm in guten und schlechten Zeiten von ganzem Herzen dienten. Obwohl sie zutiefst respektvoll zu ihm waren, hatten sie auch den Mut, ihm gegenüber korrigierende Bemerkungen zu machen, wenn dies notwendig war.

Durch deren außergewöhnliche Anstrengungen konnte er sogar dem gefährlichen Griff der kommunistischen chinesischen Streitkräfte im Jahr 1959 entkommen, und zusammen mit seiner Familie nach Indien fliehen, wo er sogar die tibetische Exilverwaltung mit allen ihren Zweigen aufbauen konnte. Bei diesen Vorgängen haben viele Khampa-Kämpfer ihr Leben für ihn gegeben.

Beginnend in den 80-er Jahren, hat sich dieses engagiertes Team völlig verändert. Während der letzten 20 Jahre sind im Bereich von Religion und Politik alle herausragenden Persönlichkeiten, angefangen von den beiden ehrwürdigen Lehrern Seiner Heiligkeit und einer Reihe von weiteren Würdenträgern aller vier tibetischen buddhistischen Traditionen entweder verstorben oder nicht mehr in ihrer Position.

Diejenigen in den Hauptrollen haben sich drastisch verändert, sowohl in Bezug auf Kompetenz als auch Aufrichtigkeit. Nicht nur das, es wurden seltsame Quellen gesucht, die dann das Vertrauen seiner Heiligkeit gewannen, wie die sogenannten Staatsorakel und eine Reihe von indischen und tibetischen Wahrsagern. Und diejenigen, die jetzt in den Positionen von Geistlichen und Beamten dienen, sind meist daran interessiert, die Gunst Seiner Heiligkeit für sich und ihre Position in der tibetischen Exilgesellschaft zu gewinnen, anstatt dem wahren Nutzen Tibets und seiner Religion zu dienen.

Das Ziel dieser Leute ist es, ihm zu gefallen und seine Gunst zu gewinnen, zu Recht oder zu Unrecht.

Als Resultat gab es im politischen Bereich eine Reihe von Änderungen für die Sache Tibets, die einen vollständigen Untergang darstellen in Bezug auf die ursprünglichen Absicht jedes Tibeters beim Verlassen unseres Land im Jahr 1959. Damals war unser Ziel die Wiedererlangung der Freiheit von Tibet um jeden Preis, egal, wie lange es dauern sollte. Seit 1988 ist diese Politik völlig verlassen worden und ein sogenannter 'Mittlerer Weg' eingeschlagen worden, der irgend eine Art von Autonomie unter China anstreben soll.

Aufgrund von Inkompetenz und mangelndem Geschick der Verantwortlichen hat dieser Versuch von Verhandlungen mit China jedoch völlig fehlgeschlagen. Um eine lange Geschichte kurz zu machen, die aktuelle politische Situation Tibets hat nun den absoluten Nullpunkt erreicht. Weder die Freiheit von Tibet, noch Autonomie in China. Nun hängt die Zukunft Tibets gänzlich von der Zukunft Chinas ab. Dieses politische Thema soll jedoch nicht das Thema unserer Erklärung hier sein.

Der wichtigste Punkt dieser dringenden Erklärung ist die äußerst unglückliche und unglaubliche Situation, die in der tibetischen Exilgemeinschaft herrscht. Unsere Landsleute in Indien erleben eine schlimmste Art von Diskriminierung und Verfolgung in diesem 21. Jahrhundert, aufgrund religiöser Diskriminierung all jener Tibeter, die sich der buddhistischen Gottheit Dorje Shugden verbunden zeigen.

Natürlich, wie bereits erwähnt, ist es undenkbar, dass ein solches Vorgehen seinen Ursprung unabhängig in S.H. dem Dalai Lama hat. Vielmehr liegt es am üblen Einflusses seiner neuen Mitarbeiter, dass solche Dinge jetzt eine traurige Realität des tibetischen Volkes geworden sind.

Das öffentliche Verschmähen der Gottheit Dorje Shugden, die von Millionen Menschen in der Welt verehrt wird, zusammen mit dem Verschmähen aller großen Meister und deren Anhängern, die mit dieser Gottheit in der Vergangenheit ebenso wie heute verbunden sind, (wozu auch die eigenen Lehrer und philosophischen Assistenten Seiner Heiligkeit gehören, ebenso wie unzählige andere Tibeter aus verschiedenen Bereichen des Lebens, teilweise mit einem großen Erbe an Diensten für Seine Heiligkeit und das Land). Alles dies entstand aufgrund der schieren Eifersucht, abergläubischen Vorstellungen und dem persönlichen Groll einiger Orakel und so weiter.

Eine unglaubliche Diskriminierung mit Vertreibung von Mönchen und Nonnen aus ihren Klöstern, Vertreibung einfacher Menschen aus Schulen und anderen Organisationen und Verboten, in lokalen Krankenstationen behandelt zu werden und im lokalen Laden Dinge zu kaufen. Die grundlegenden Rechte eines tibetischen Bürgers wurden ihnen mit allen Arten von Unterstellungen, wie 'Anbeter von Dämonen', 'Bedroher des Lebens Seiner Heiligkeit' usw. entrissen.

Anhaltende Unterschriftenaktionen, öffentliches Schwören, alle religiösen und gesellschaftlichen Beziehungen mit denen, die sich der Gottheit verbunden zeigen abzubrechen sind an der Tagesordnung, während das einzige 'Verbrechen' die weitere Verbundenheit mit unserer Gottheit ist, die Seine Heiligkeit auf Rat seines Staatsorakels ablehnt. Natürlich hat dies zu Auseinandersetzungen und Spaltungen der Tibeter bis auf die Ebene von Familien geführt und ein beispielloses Gefühl von Unsicherheit, Misstrauen und Angst unter uns Tibetern hervorgebracht.

Obwohl S.H. Dalai Lama oft dazu neigt, die Gottheit und ihre Anhänger als 'Dämonen-Anbeter' anzuprangern, ist es eine Tatsache, dass es in allen vier buddhistischen Traditionen Tibets hunderte von solchen Beschützer-Gottheiten gleichen Ranges gibt, die regelmäßig von allen verehrt werden, so wie auch diese Gottheit in zwei buddhistischen Schulen Tibets, nämlich der Sakya- und der Gelug-Tradition seit 400 Jahren verehrt wird.

Darüber hinaus gibt es noch viele andere Gottheiten, die anerkannt werden und individuell oder kollektiv verehrt werden. S.H. Dalai Lama selbst hat eine ganze Reihe solcher Gottheiten, die von ihm und seinem Gefolge regelmäßig mit viel Pomp und Eifer verehrt werden, und deren (fragwürdige) Orakel häufig für religiöse und politische Entscheidungen konsultiert werden. Viele neue Gebete und Ehrungen an diese Gottheiten hat Seine Heiligkeit selbst verfasst.

Ein weiterer Vorwurf, der dieser diskriminierten Gruppe gemacht wird, ist "diese Praxis würde dem Leben Seiner Heiligkeit und der Sache Tibets schaden". Aber die Realität ist, dass der gegenwärtige Dalai Lama der am zweitlängst Lebende unter allen bisherigen vierzehn Dalai Lamas ist. Er ist jetzt 79 Jahre alt. Nur der erste Dalai Lama lebte bisher länger, er wurde 81 Jahre alt.

Und auch, wie bereits oben erwähnt, waren es im Jahr 1959, in der schwierigsten Zeitpunkt der Geschichte Tibets, vor allem die Anhänger dieser Gottheit, die die Verantwortung übernahmen und Seine Heiligkeit aus der chinesischen Gefahr sicher in das freie Indien brachten. Unter allen tibetischen Orakeln gab es ein altes ehrwürdiges Orakel dieser Gottheit, das das einzige war, das zu dieser Zeit die am meisten benötigten erhellenden Ratschläge für die sichere Flucht Seiner Heiligkeit aus Tibet gab.

Als Resultat war dann auch in den 1950-er und 60-er Jahren, bis zum Jahr 1978 S.H. Dalai Lama selbst einer der herausragendsten Anhänger dieser gleichen Gottheit. Auch der Anführer ebenso wie die Mitglieder der Khampa-Widerstandskraft, die während 10 Jahren in Tibet gegen die chinesische kommunistische Armee kämpften, waren Anhänger der gleichen Gottheit.

So sind alle diese haltlosen Unterstellungen nichts weiter als ein Versuch, das willkürliche Verbot dieser religiösen Praxis zu rechtfertigen.

Unser Bemühen richtet sich jedoch nicht auf das 'Überleben' einer einfachen Gottheit, das ist nicht unser Anliegen. Die Sorge ist die Existenz von unzähligen Tibetern sowohl in Tibet als auch im Exil, die durch solche ungerechtfertigte Diskriminierung und falsche Vorwürfe gefährdet ist, gerade in dieser Zeit, in der die Einheit aller Tibeter mehr denn je von entscheidender Bedeutung und Lebenskraft für alle Tibeter ist.

Solche Spaltung berührt nicht nur das Leben zahlloser Tibeter, sondern als Anhänger der gleichen Gottheit auch viele andere Buddhisten in der Welt, wie der Mongolei, Indien, und jetzt auch in vielen westlichen und anderen östlichen Ländern. Das ist der Grund, weshalb wir uns heute der internationalen Kundgebung, die von unseren Brüdern und Schwestern in Europa organisiert wurde, anschließen.

Obwohl wiederholt respektvolle Appelle an Seine Heiligkeit und Seine Regierung gerichtet wurden, mit der Bitte, diese Politik der Ausgrenzung zu überdenken, wurden alle Versuche dieser Art mit harscher Ablehnung quittiert, was uns schließlich keine andere Wahl lässt, als unsere Situation mit demokratischen Mitteln zu internationaler Aufmerksamkeit zu bringen und der Welt bekannt zu machen.

Abgesehen davon, wünschen wir deutlich zu machen, dass wir weder einer eigenartigen Sekte angehören noch in zweifelhafte Aktivitäten gegen Tibets einzigen Nobelpreisträger, S.H. den 14. Dalai Lama engagiert sind; von keinerlei politischen Kräften manipuliert sind und auch keinerlei Interesse an persönlichem Gewinn irgendwelcher Art haben.

Obwohl uns in den vergangenen 20 Jahren die Teilnahme an Lehren und Zeremonien Seiner Heiligkeit untersagt wurde, haben wir unseren Respekt ihm gegenüber in unseren Herzen nicht verloren. Obwohl alle Opfer und Dienste, die unsere Leute in der Vergangenheit Seiner Heiligkeit entgegengebracht haben mit solcher unverdienter Diskriminierung vergolten wird, haben wir keinen Groll und keine negativen Gefühle, sondern beten nach wie vor für sein langes Leben.

Schließlich appellieren wir an Seine Heiligkeit, uns unsere religiösen und menschlichen Rechte, die alle Tibeter in gleichem Maß verdienen, zuzugestehen und Würde und Respekt aller unserer ehrwürdigsten Meister der Vergangenheit und der Gegenwart ebenso wie unserer Gottheit Dorje Shugden wiederherzustellen.

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